Vereinsmeisterschaft 2010 - Wolfgang Ruppert gewinnt dramatisches Finale
 
 
"Schach kann so schön, aber auch so häßlich sein !" Wie in kaum einem anderen Sport, hängen Erfolg und Mißerfolg so nahe beinander, denn nicht selten entscheidet ein einziger Zug, ein einziger Fehler über Sieg und Niederlage. Und wenn es sich dabei noch um ein alles entscheidende Finale handelt, dann spricht man von Dramatik pur ! 
Als ich im letzten Newsletter in meiner Vorschau zum alles entscheidenden "Alles oder nichts" -Finale in der  Vereinsmeisterschaft 2010 Gruppe 1 hinwies, musste man sicherlich keine Glaskugel bemühen, um vorauszuahnen, dass die beiden letzten ausstehenden Spiele um den Vereinsmeistertitel und die Frage wer absteigt, mit großer Spannung und Nervenkitzel angereichert waren. Doch hätte ich nie und nimmer gedacht, dass diese beiden Spiele in die Vereinsgeschichte eingehen werden, als die vielleicht dramatischsten und emotionalsten Finalspiele in der Vereinsmeisterschaft ! Hier das "Logbuch" dazu....
 
20.30 Uhr: Die Partien Markus Lahr - Wolfgang Ruppert und Wahid Jamali - Andreas Weber beginnen zeitgleich.
Ausgangslage: Wolfgang führt mit einem halben Punkt Vorsprung 3 Pkt., vor Markus und Wahid je 2,5 Pkt. und Andy mit 2 Pkt. Der Titel des Vereinsmeisters 2010 und der drohende Abstieg wird nun ständiger Begleiter für die nächsten 4 -5 Stunden Spieldauer sein. Nur Siege führen zum direkten Ziel, bei Remis bedarf es die Schützenhilfe aus der anderen Partie. Nach dem Motto "nur die Mutigen werden belohnt" greifen die beiden Weiss-Spieler Markus und Andy direkt in die psychologische Trickkiste. Markus eröffnet absolut unerwartet und überraschend mit 1.e4 die Partie, und Andy geht es gar eine Stufe härter an, indem er das gefährliche Blackmar-Diemer Gambit wählte, bei dem man einen Bauern opfert, um im Husarenstil direkt den König zu attackieren.
 
21.30 Uhr: Die anfänglichen Gleichgewichte scheinen sich langsam aber stetig zu verschieben. Wolfgang, der auf den überraschenden ersten Zug von Markus die Sizilianische Verteidigung wählte, muss erkennen, dass sein Gegner seine Hausaufgaben sehr gut gemacht hat und auch am Brett zu sehen ist. Zug um Zug geht die Initiative auf den Weissen über. Die langfristige schwarze Strategie durch eine Bauernexpansion am Damenflügel Druck auszuüben, beschleicht die Erkenntnis, dass der drohende Königsflügelangriff deutlich stärker und schneller ist. FRITZ würde wohl hier schon + 2 die Stellung bewerten.  Andere Vorzeichen bei der anderen Partie. Nach anfänglichem Druckspiel von Andy versteht es Wahid durch gutes Positionsverständnis die gefährlichen Angriffsfiguren abzutauschen. Jedoch bringt eine kleine Unachtsamkeit Weiss wieder besser in Stellung. Dennoch, was bleibt ist ein gesunder Mehrbauer für Wahid !
 
22.30 Uhr 2 Stunden sind gespielt, die Drohungen von Markus am Königsflügel werden konkreter. Der eingeleitete Strategiewechsel von Wolfgang, sich vom Damenflügelangriff vorerst zu verabschieden, um die Verteidigung zu stärken, zeigt Nebenwirkungen. Ohne drohendes Gegenspiel kann Markus sich voll und ganz auf seinen Angriff konzentrieren, und bringt nun auch die letzten Kanonen in Form der Türme in Stellung. Doch noch zeigt die schwarze Stellung keine großen Schwächen in der Bauernformation, und ein entscheidender Durchschlag ist noch nicht zu erkennen. FRITZ + 2,5. Wahid kann ebenfalls seinen Vorteil ausbauen.FRITZ würde in dieser Phase hier wohl durch den Mehrbauern + 3 für Schwarz anzeigen. Kleiner Unterschied, hier spielen zwei Menschen gegeneinander, und wenn man gegen den kreativsten Vereinsspieler zu spielen hat, dann kann ein Mehrbauer-Vorteil relativ schnell zur Nebensache werden  ....
 
23.30 Uhr es geht Richtung Mitternacht. Durch feine Angriffszüge von Markus scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, dass die schwarze Verteidigungslinie bricht. Doch wird Schach nicht nur am Brett sondern auch mit der Uhr entschieden, und die zeigt, jeder nur noch 15 Minuten für 15 Zügen bis zur ersten Zeitkontrolle (40 Züge für 2Std). Neben schachlichen Qualitäten heisst es ab nun, auch Nervenstärke zu beweisen. Die testet Wolfgang direkt bei seinem Gegner, in dem er Markus ein taktisches Remis anbietet. Markus hätte damit den Klassenerhalt gesichert, müsste sich aber auch vom Vereinsmeistertitel verabschieden. Nach wertvollen 5 Minuten Bedenkzeit beschliesst Markus aufs Ganze zu gehen, und lehnt ab. Der Druck nimmt damit deutlich zu... Anderes Brett: Wahid sieht sich auf der Siegerstraße. Durch die wenigen Figuren auf dem Brett (Turm + 2 Bauern gegen Turm + 1 Bauer) ist Andy´s Kreativspiel deutlich limitiert, zudem ist Wahid`s Turm deutlich aktiver. Im Fußball würde man nun von einer Vorentscheidung sprechen...
 
0.20 Uhr Geisterstunde: Die Entscheidung in beiden Partien ist greifbar, der Druck auf alle vier Spieler wahnsinnig groß ! Was in diesem Moment noch keiner weiss, in den nächsten zehn Minuten steht der Vereinsmeister fest und die Frage wer absteigt, muss eine Entscheidungspartie bringen... Wahid setzt zum entscheidenden Schlag an, ein Turm-Schach auf h2 zwingt  Andy´s König runter auf die Grundreihe, die weisse Stellung sieht nun aus wie gelähmt: Ein Turm auf a2 und der letzte verbliebene Bauern auf c2, wer jetzt noch auf Weiss setzt, hat scheinbar keine Ahnung von dem Spiel.... Doch was in diesem Augenblick keiner ahnt, Andy hat sich eine tödliche Falle einfallen lassen. Und nicht nur das, auch der genauso wichtige Köder wurde gelegt, in dem er Wahid quasi den nächsten naheliegenden Zug mit dem König, der das gewinnbringende Vorziehen des Bauern ermöglicht, regelrecht aufdrängt. Nichtsahnend und mit dem sicheren Gefühl "der Sieg ist mein" schnappt die Falle zu ! Wahid zieht den König nach d5, und Andy opfert seinen letzten Bauern: C4 Schach ! Durch das Vorrücken des Bauern stehen sich nun die beiden Türme auf der 2. Reihe gegenüber. Der Turmverlust ist durch das Schach nicht zu verhindern, Wahid gibt auf ! Neben der schmerzlichen Niederlage kommt die Ungewißheit, ob er nun direkt abgestiegen ist. Doch für die Antwort muss er nicht lange warten...
 
0.29 Uhr Der überraschende Sieg von Andy heizt die andere Partie zusätzlich an, der Sieger wird mit dem Vereinsmeistertitel belohnt ! Akt 2:  Die Dramatik nimmt ihren Lauf... Markus konnte mittlerweile die schwarze Verteidigung durchbrechen, zudem hat Wolfgang in schwieriger Stellung weniger als 20 Sekunden für 3 Züge, Markus hingegen "noch"  eine Minute. Alles sieht nach einem Sieg für ihn aus. In den beiden nächsten Zügen versucht Wolfgang fast schon selbstmörderisch weiter die Stellung zu verkomplizieren, die Züge sind zwar nicht gut, zeigen aber Wirkung. Verbleibende Bedenkzeit: Wolfgang 2 Sekunden , Markus 30 Sekunden. Der berühmte berüchtigte 40.Zug zur ersten Zeitkontrolle steht an. In der hitzigen Zeitnotschlacht sind schon unzählige Partien in diesem letzten Zug entschieden worden. Und auch diese wird sich dort einreihen ..Markus zieht seinen Läufer von f4 nach g5, für Wolfgang besteht nun die Herausforderung eine Figur in die Hand zu nehmen, zu ziehen und innerhalb der 2 Sekunden die Uhr zu drücken. Nach dem Grundsatz Schach gesehen , Schach gegeben nutzt er den Läuferzug von Markus aus, und gibt mit seinem Läufer auf d4 Schach. Ein Blick auf die Uhr zeigt: Erstes Etappenziel erreicht, eine einzige Sekunde zeigt die Uhr noch an, die 40 Züge sind damit geschafft. Doch was hat dieses Schach gebracht ? Ein Blick auf das Brett und dann in das Gesicht von Markus zeigt Unvorstellbares: die Partie ist gewonnen ! Vergleichbar mit der anderen Partie stehen sich nun die ungedeckten Damen auf der 6 Reihe gegenüber, und durch das Abzugsschach des Läufers verliert Markus Material. Das Herzschlagfinale mit gefühlten Puls aller vier Spieler von 250 ist aus. Wolfgang ist Vereinsmeister 2010 und verteidigt damit seinen Titel, den er seit 2008 hält. Markus und Wahid müssen in den Stichkampf, Andy wird Vizemeister. 
 
Von diesem Abend wird man noch lange reden....
 

Stellung nach 33. Tf1  Dc6

Weiter geht es mit 34.g6 Lf6 ** 35.h6 d5 ** 36.Sh5 fxg6 ** 37.Lf4 Sf7 ** 38.fxg6 hxg6 ** 39.Dxg6+ Kh8 ** 40.Lg5 ?? (Sxf6 gefolgt von Dg7 gewinnt sofort) Ld4+ 0-1